Das Losbrechmoment ist eine oft unterschätzte, aber kritische Kraft im Anlagen- und Rohrleitungsbau, welches vorallem in der Ventiltechnik berücksichtigt werden muss. Es beschreibt das maximale Drehmoment, das erforderlich ist, um eine ruhende Komponente, wie das Absperrorgan (Kugel oder Scheibe) einer Armatur, aus dem Stillstand in eine Drehbewegung zu versetzen.
Physikalische Grundlagen
Physikalisch gesehen ist das Losbrechmoment die Kraft, die benötigt wird, um die Haftreibung zwischen zwei sich berührenden, ruhenden Oberflächen zu überwinden. Diese Haftreibung, verursacht durch mikroskopische Unebenheiten (rauhe Oberflächen) und molekulare Anziehungskräfte (z. B. Van-der-Waals-Kräfte oder Dipol-Dipol-Wechselwirkungen), ist höher als die Gleitreibung, die wirkt, sobald die Bewegung eingeleitet ist. Dieser abrupte Übergang von hoher Haft- zu niedrigerer Gleitreibung ist oft als "Knacken" oder Rucken wahrnehmbar und die Ursache für den unerwünschten Stick-Slip-Effekt (Ruckgleiten), der präzise Regelvorgänge stört. Dies lässt sich häufig bei manuellen Ventilen, wie etwa Kugelhähnen beobachten, wenn man versucht, das Ventil zu öffnen und dies dann ab einer bestimmten Anstrengung ruckartig geschieht. Die Kraft, die benötigt wurde, um die Kugel in Bewegung zu setzen, ist das Losbrechmoment.
Das Losbrechmoment ist dabei nicht zu verwechseln mit der Losbrechkraft. Das Losbrechmoment wird bei drehenden Bewegungen (Öffnen oder Schließen eines Kugelhahns oder das Ein-/Herausdrehen einer Schraube) verwendet und die Losbrechkraft bei geradlinigen Bewegungen (z. B. das Schieben einer Kiste über den Boden). Beide Fälle beschreiben die Kraft, die benötigt wird, um die Bewegung in Gang zu setzen, nur der Kontext (Drehen oder Flächen gegeneinander schieben) unterscheidet sich.
Bedeutung im Rohrleitungsbau
Das Losbrechmoment ist vor allem in der Ventiltechnik relevant, da es eine direkte Auswirkung auf das Öffnungs- und Schließverhalten eines Ventils hat. Vor allem Kugelventile mit einer drehbaren Kugel und Absperrklappen mit einer drehbaren Scheibe sind betroffen, da die Kugel oder auch Platte in einer Dichtung sitzen und beim Öffnen oder Schließen des Ventils an dieser Dichtung reiben. Zum einen möchte man eine hohe Dichtheit gewährleisten, weshalb die Dichtung möglichst eng an der Kugel oder der Platte anliegen soll und zum anderen möchte man ein leichtes Öffnen und Schließen des Ventils gewährleisten. Gerade in der automatischen Ventilsteuerung über Elektromotoren oder über einen pneumatischen Antrieb ist eine einfache Rotation des Absperrorgans (Kugel oder Platte) entscheidend, um den Motor nicht zu überlasten und die benötigte Energie möglichst gering zu halten.
Hier kommt nun das Losbrechmoment zum Tragen. Im Idealfall lässt sich ein Ventil ohne Kraftanstrengung öffnen, was allerdings aufgrund der Reibung zwischen den Materialien beim Drehen des Absperrorgans ein illusorisches Unterfangen darstellt. Materialien mit einer möglichst hohen Gleitreibung und einem möglichst geringen Losbrechmoment tragen zu einer erheblich verringerten Kraftanstrengung beim Öffnen und schließen eines Ventils bei. Zu diesen Materialien gehören z. B. Teflon (PTFE) oder auch PE-UHMW (PE mit einer sehr hohen Molekühldichte an vor allem langkettigen PE-Molekülen), welche eine äußerst glatte Oberfläche und aufgrund der Molekülstruktur geringe Wechselwirkung mit anliegenden anderen Molekülen besitzen.
Herausforderungen bei automatischen Antrieben
Bei der Auslegung von automatisierten Antrieben muss das größte plausible Losbrechmoment berücksichtigt werden, nicht der Idealwert. Daher wird ein Sicherheitsfaktor (typischerweise 1,2 bis 2,0) auf das Nenndrehmoment der Armatur aufgeschlagen, um Alterung, Verschleiß und die genannten Betriebseinflüsse zu kompensieren. Das Losbrechmoment ist allerdings nicht immer bekannt und kann teilweise nur geschätzt werden. Bei den meisten von uns angebotenen automatischen Ventilen sind diese Daten in den Datenblättern erläutert, um eine differenzierte Analyse zu ermöglichen und die Auswahl des richtigen Motors zu unterstützen.
Es ist jedoch zu beachten, dass das in den Datenblättern angegebene Losbrechmoment immer nur als eine Momentaufnahme zu sehen ist, die in der Praxis von verschiedenen Faktoren, wie z. B.:
- Betriebsdruck und Temperatur: Ein hoher Differenzdruck presst die Dichtung stärker an und erhöht das Drehmoment signifikant. Extreme Temperaturen verändern die Materialeigenschaften der Dichtungen; Kälte macht sie hart und spröde, Wärme kann sie erweichen, was ebenfalls die Reibung beeinflusst.
- Medium: Schmierende Medien wie z. B. Öle können die Reibung reduzieren, während trockene Gase oder kristallbildende Flüssigkeiten sie erhöhen können. Abrasive Partikel im Medium können die Dichtflächen beschädigen und zu Verklemmungen führen.
- Stillstandszeit: Dies ist einer der kritischsten Faktoren. Bei Armaturen, die lange nicht betätigt werden, kann das Losbrechmoment durch Adhäsion ("Verkleben" der Dichtungen), Korrosion in den Lagerungen oder das "Setzen" (bleibende Verformung) der Dichtungen auf ein Vielfaches des ursprünglichen Wertes ansteigen. Dies ist besonders für Sicherheitsarmaturen relevant.
Die Folgen zeigen sich je nach Antriebsart. Während bei einer manuellen Bedienung häufig einfach ein etwas höherer Kraftaufwand aufgebracht werden kann, um das Ventil zu öffnen oder zu schließen, sind die maximalen Parameter bei automatischen Ventilen bereits durch den Antrieb gegeben und können nicht einfach ausgetrickst werden. Dies kann zur Folge haben, dass das Losbrechmoment nicht vom Antrieb überwunden werden kann, was zu folgende Probleme führt:
- Pneumatische Antriebe: Ihre Kraft ist direkt vom anliegenden Steuerluftdruck abhängig. Ein Druckabfall im Netz, z.B. durch Leckagen, führt unmittelbar zu einem Leistungsverlust, sodass der Antrieb die Armatur nicht mehr bewegen kann. Zudem neigen sie aufgrund der Kompressibilität der Luft zu einem ausgeprägten Stick-Slip-Effekt, was eine präzise Regelung erschwert.
- Elektrische Antriebe: Ein unerwartet hohes Losbrechmoment (z.B. nach langem Stillstand) führt zu einem sehr hohen Anlaufstrom. Dies kann den Motorschutzschalter auslösen, wodurch der Antrieb abschaltet, bevor die Bewegung vollendet ist. Zudem belasten die Drehmomentspitzen das Getriebe mechanisch stark, was zu vorzeitigem Verschleiß führen kann.
Es ist daher wichtig, die Armaturen regelmäßig auf Schwergängigkeit zu prüfen und gegebenenfalls nachzujustieren. Zudem sollten lange Standzeiten und hohe Temperaturschwankungen des Mediums und der Umgebung vermieden werden, um möglichst gleichbleibende Parameter zu erhalten. Bei bereits verbauten Ventilen kann häufig auch ein leistungsstärkerer Motor nachgerüstet werden, wenn der ursprüngliche Motor häufig Probleme bereitet.